Alwin de Buhrs Vortrag, bei dem Workshop über die Geschichte der NS-Zwangsarbeit und der Zwangsarbeitslager in Ostfriesland, wird hier als dritter Workshopbeitrag veröffentlicht.

Die fünf Lager für Zwangsarbeitende rund um das Marinearsenal Tannenhausen und ihr Einsatz in der Rüstungsproduktion
Von Alwin de Buhr, Projektgruppe Kriegsgräberstätte Tannenhausen
Wie kam es zu fünf Lagern rund um das Marinearsenal Tannenhausen?
Die Nationalsozialisten begannen direkt nach ihrem Machtantritt 1933 mit einer enormen Aufrüstung, um das Deutsche Reich zur stärksten Nation in Europa zu machen. Ab 1935 glich das Kreisgebiet in Aurich einer militärischen Großbaustelle. Es kam zu einer massiven Anwerbung von Bauarbeitern, denn im Meerhusener Forst sollte eine Nebenstelle des Marine-Arsenal-Zeugamtes Wilhelmshaven (kurz MAZ) aufgebaut werden. Bereits 1936 begannen die Rodungsarbeiten, aber sehr behutsam, denn durch die Bäume sollte für die zahlreich geplanten Munitionsbunker und Fertigungshallen genügend Sichtschutz erhalten bleiben, damit diese Einrichtungen vor möglichen Bombenangriffen unentdeckt und geschützt blieben. Und tatsächlich kam es während des Zweiten Weltkriegs zu keinem Bombenangriff. Nach dem Krieg waren die kanadischen Besatzungssoldaten sehr überrascht hier eine Rüstungsfabrik vorzufinden.

Am 1. Oktober 1938 zogen die ersten Marinesoldaten in Aurich ein und die Stadt wurde mit der Einrichtung der Marine-Nachrichtenschule wieder Garnisonsstandort. 1937 wurde die Verbindungsstraße von der West- zur Ostwache durch das bereits eingezäunte ca. 400 ha große Arsenalgelände fertig und so eine Anbindung zu den wenig vorhandenen öffentlichen Verkehrsstraßen hergestellt. An beiden Enden der Straße sollten später die Lager West und Ost entstehen.
Die Baufirmen Speek, Freitag und Kistner waren zeitweilig mit mehr als 2000 Arbeitskräften – darunter auch viele westeuropäische Zivilarbeiter – mit dem Aufbau des Arsenals beschäftigt. Für nötige Transporte auf dem Arsenalgelände und zur Anbindung an den öffentlichen Schienenverkehr wurde ein Schmalspurbahnnetz erstellt. Bereits Anfang 1938 wurden die ersten Munitionslagerhäuser an die Marine übergeben. Bald rollten die ersten Transporte mit Munition und mit Kriegsbeginn 1939 stieg die Munitionsaus- und Zulieferung stark an.

Das Lager Ost
1941 wurde das erste Barackenlager errichtet und zwar auf dem Grundstück der Familie Christians in Dietrichsfeld. Es bestand aus zwei Unterkunftsbaracken, einem Küchen- und einem Unterrichts- bzw. Veranstaltungstrakt sowie einer Wasch- und Toilettenanlage.[i] Außer zur Unterbringung der militärischen Wachmannschaft (ca. 40 Marinesoldaten) diente dieses Lager Ost später auch als Unterkunft für junge zwangsdeportierte ukrainische Frauen. In einer Baracke waren auch Angehörige der Organisation Todt (OT) einquartiert. Das Lager Ost war von drei Seiten durch einen Zaun umgeben, der das gesamte Marinearsenals umgab. Zu einer Seite war das Lager durch Pforten frei zugänglich, lag aber im Zugriffsbereich der Wachsoldaten der Ostwache. In allen Lagern sollen – laut Manfred Staschen – SS-Angehörige in Zivil und andere für die Überwachung der Zivil- und Zwangsarbeitenden zuständige Personen untergebracht gewesen sein.
Das Lager West
Das Lager West war das größte der fünf Lager. Hier war in erster Linie die Bauleitung des Arsenals untergebracht. Es bestand aus elf Gebäuden, wobei die Küche und Kantine für die Verpflegung der Bauleitung, der Soldaten und der Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes im Arsenal genutzt wurde. Es diente auch als Veranstaltungszentrum für alle im Bereich Tannenhausen und Meerhusen stationierten Wehrmachtsangehörigen und deren Gefolge.
Ab 1942 wurden hier auch die ersten sowjetischen zwangsdeportierten Männer einquartiert. Im September 1944 fand eine Verlegung von einer größeren Anzahl westeuropäischer Fremdarbeiter nach Loppersum in das Lager der Deutschen Arbeitsfront (DAF) statt. Wahrscheinlich handelte es sich bei den mehr als 50 Männern aus Belgien, den Niederlanden und Frankreich um Bauarbeiter, die nach der Einstellung der Bauarbeiten im Arsenal nicht mehr benötigt wurden. Jedenfalls waren sie in der Betriebskrankenkasse der Marine nicht registriert. In Einzelfällen liegen Dokumente vor, die auch einen Arbeitsplatzwechsel bestätigen.
Nach Angaben von Manfred Staschen sollen die französischen Zivilarbeiter des Arsenals ausnahmslos in Aurich in der Zingelturnhalle untergebracht gewesen sein. Aber mittlerweile gibt es eindeutige Hinweise, dass die französischen Zivilarbeiter ebenfalls in Tannenhausen untergebracht waren. Hingegen gibt es keine Belege dafür, dass die in der Turnhalle Einquartierten im Arsenal gearbeitet haben. Vielmehr waren die in der Turnhalle Untergebrachten bei Betrieben in der Stadt Aurich zur Zwangsarbeit eingesetzt.
Das Lager für sowjetische Kriegsgefangene
Am Südrand des Dorfes Tannenhausen, westlich der Landesstraße 7 wurde Ende 1941 ein aus fünf Holzbaracken bestehendes Lager für 200 sowjetische Kriegsgefangene errichtet. Dieses Lager, das Arbeitskommando Nr. 5885, gehörte ebenfalls zum Lagersystem rund um das Marinearsenal. Südlich grenzte das Lager mit einer Verladerampe unmittelbar an die „Arsenalbahn“, die Bahnverbindung von Aurich zum Marinearsenal. Auf Grund schlechter Versorgung durch die Wehrmacht starben – im Winter 1941/1942 – vermutlich mehr als 200 sowjetische Kriegsgefangene.
Das Lager Süd
Das Lager Süd bei der Wache am südlichen Eingang gelegen, war für weitere zwangs-deportierte Männer geplant. Dieses Lager war nur nach einer Seite mit einer Pforte versehen und dort frei zugänglich. Die vorhandene Küche war nur für die Verpflegung der dortigen Lagerinsassen zuständig.[ii]
Das Lager Nord
Das älteste bestehende Barackenlager nördlich des Arsenals und des Silbersees gelegen, gab es bereits seit 1906. Es entstand in Abelitzmoor I, einer Moorkolonie. Die Kultivierungsarbeiten wurden von 30–40 Strafgefangenen verrichtet. 1935 wurde in Abelitzmoor I ein Lager des Reichsarbeitsdienstes (RAD) eingerichtet. Später waren hier auch deutsche dienstverpflichtete Frauen untergebracht.
Nachdem das RAD-Lager im Krieg aufgelöst und nach Collrunge verlegt worden war, entstand hier ein Lager für angeworbene und dienstverpflichtete ukrainische und sowjetische Frauen, die in der Landwirtschaft, aber auch in Haushalten eingesetzt wurden. Das Lager Nord war das einzige Zwangsarbeitslager des Arsenals, das keinen direkten Zugang zum Arsenal hatte und auch keine eigene Wache. Es gibt nur wenige Informationen darüber, wie und in welchem Umfang Wachleute bei dem Frauenlager im Einsatz waren.
Dokumente über drei verstorbene ukrainische Frauen dieses Lager belegen nun, dass – anders als vermutet – die dort untergebrachten zwangsrekrutierten Frauen nicht ausschließlich in der Landwirtschaft und im Haushalt, sondern vor allem im Arsenal als Munitionsarbeiterinnen gearbeitet haben.[iii]

Gestützt wird diese neue Erkenntnis auch von den Berichten zweier ehemaliger ukrainischer Zwangsarbeiterinnen des Marinearsenals, Domka L., geb. 1924 und Maria P., geb. 1925, die sich im Rahmen ihrer Wiedergutmachungsverfahren 2002 entsprechend äußerten.[iv]
Domka L.:
„Wir waren ca. 250 Mädchen, 5 km vom Arsenal entfernt. Wir schliefen zu zwölft in einem Raum der Baracken aus Holz, in Doppelbetten mit Strohkissen und Matratzen ohne Decken. Das Arsenal wurde geführt von einem Offizier und seiner Frau [gemeint sind Kapitänleutnant der Marine Gördes und seine Ehefrau]. Er wurde von allen gefürchtet. […] Einmal wurde eine Frau an die Wand gestellt, um erschossen zu werden, weil sie sich über zu wenig Marmelade beschwert hatte. Ohne das Eingreifen der Frau des Kommandanten wäre die Frau zweifellos erschossen worden.
Wir bekamen nicht genug zu essen, um zu überleben. Die Wachen im Arsenal trugen Waffen, sodass man immer Angst hatte, erschossen zu werden. Zum Frühstück gab es nur Kaffee oder Tee und nichts zu essen. Das Mittagessen bestand aus Wassersuppe mit ein paar Kartoffeln und süßen Rüben. Abends gab es eine kleine Menge Rotkohl, Kartoffeln und Wurzeln, Pferdefleisch gab es vielleicht einmal die Woche. Rationen von einem Brot mit einem Löffel voll Marmelade sollten für eine Woche reichen.“

Zwangsarbeit im Marinearsenal in Tannenhausen
Zu Beginn des Jahres 1943 waren mehr als 500 ausländische Arbeitskräfte im Arsenal beschäftigt, darunter über 80 Ukrainerinnen, rund 200 sowjetische Kriegsgefangene und etwa 100 männliche russische Zwangsdeportierte.[v] Die Nationalitäten und die Anzahl der übrigen 120 ausländischen Zwangsarbeitenden werden in der Chronik des Marinearsenals nicht genannt. Fest steht nur, dass es sich sowohl um Polen als auch um Niederländer, Belgier und Franzosen handelte. Von weiteren zwangsdeportierten Frauen, außer den Ukrainerinnen wird nicht berichtet, gleichwohl gibt es Belege dafür, dass zumindest eine Belgierin – Maria van der Hagen – als Munitionsarbeiterin im Arsenal in Tannenhausen gearbeitet hat. Sie wurde bis zum 6. Mai 1945 in den Unterlagen der Betriebskrankenkasse in Wilhelmshaven geführt.[vi]
Die einheimischen Zivilbeschäftigten des Arsenals werden auf 450 bis 500 Männer und Frauen beziffert. Sie waren also etwa gleichstark wie die Gruppe der ausländischen Zivil- und Zwangsarbeitenden. Da in Schichtarbeit gearbeitet wurde und akuter Personalmangel herrschte, je länger der Krieg dauerte, erhöhte sich bis zum Kriegsende vermutlich der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte gegenüber dem Anteil der deutschen Beschäftigten noch einmal deutlich. Die Aussage von Domka L. legt das jedenfalls nahe, wenn sie von etwa 250 jungen Frauen spricht, mit denen sie täglich vom Lager zum Arsenal fuhr.
Maria P., die vor dem Einsatz im Marinearsenal bei einem Bauern in der Ostermarsch im Kreis Norden und bei einem Bauern in Barstede-Ihlow gearbeitet hatte, erinnerte sich an die Arbeit, die sie im Marinearsenal verrichten musste:
„Nach ein paar Jahren auf den Bauernhöfen musste ich in das Marinearsenal nach Tannenhausen. Meine Arbeit bestand darin, Mörsergranaten für die Wehrmacht zu säubern und zu verpacken. Die Lebensbedingungen im Arsenal waren sehr ärmlich und wir hausten in Holzbaracken. Früh am Morgen gab es sehr wenig zu frühstücken, dann wurden wir mit einem Transportzug zur Arbeit gebracht, wo wir bis zu später Stunde arbeiten mussten. Danach wurden wir zu den Baracken zurückgefahren und erhielten eine schmale Mahlzeit und gingen dann schlafen.“[vii]
Auch Domka L. schilderte, wie unerträglich die Bedingungen waren:
„Die Arbeit im Arsenal war sehr anstrengend, vor allen Dingen auf leerem Magen. […] Jeder versuchte nur zu überleben, manchmal ohne Schuhe, wir hatten nur das, was wir von zu Hause mitgebracht hatten.
Mir wurde der Blinddarm entfernt, doch ich musste gleich am nächsten Tag wieder arbeiten, nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen war. Wenn die Alliierten angriffen, rannten die Deutschen gleich in ihren Bunker, aber wir Arbeitskräfte mussten uns nur so gut es ging ohne Bunker schützen.“[viii]
Explosion im Nähsaal
Am 21. April 1943 kam es im Marinearsenal Tannenhausen zu einer verheerenden Explosion im Nähsaal für Pulversäcke. Bei dem Unfall starben zwölf deutsche Arbeiterinnen – zehn von ihnen stammten aus dem Kreis Aurich, zwei aus Wittmund. Dass bei der Explosion ausschließlich Deutsche zu Tode kamen, deutet darauf hin, dass deutsche Dienstverpflichtete und ukrainische Zwangsarbeiterinnen in getrennten Schichten arbeiteten und sich der Unfall während des Schichtdienstes der deutschen Munitionsarbeiterinnen ereignete. Die Ursache für das Unglück blieb nach Angaben von Manfred Staschen ungeklärt. Die Gestapo verdächtigte wohl einen Franzosen als Saboteur. Über Einzelheiten nach der Verhaftung des französischen Zivilarbeiters sei nichts nähere bekannt geworden.[ix]
Ich kann jedoch inzwischen belegen, dass der verdächtigte Franzose Mathieu M. am 7. Mai 1943 wegen Sabotageverdacht ins Auricher Landgerichtsgefängnis eingeliefert wurde und drei Tage später dem Landrat vorgeführt wurde. Der Landrat hat ihn sehr wahrscheinlich der Gestapo übergeben, denn einen Monat später kam er über die Gestapo mit einer Pneumonie ins Städtische Krankenhaus nach Wilhelmshaven. Vom selben Krankenhaus gibt es ein Dokument, das belegt, dass er dort bereits 1941 wegen einer Gastritis behandelt wurde.[x] Viele der in Tannenhausen tätigen Arbeitskräfte des Marinearsenals waren zuvor in Wilhelmshaven beschäftigt gewesen, wie auch das folgende Fallbeispiel zeigt.

Eine gefährliche Arbeit – ohne jeglichen Arbeitsschutz
Von einem weiteren Arbeitsunfall im Marinearsenal in Tannenhausen erfahren wir erst 2001 durch ein Schreiben an die Stadt Emden bezüglich eines Versorgungsantrages. Hanna L., geboren 1925 in der Ukraine ließ durch ihren Neffen bei der Stadt Emden anfragen, ob die Stadt ihr eine Bescheinigung über ihren Aufenthalt in Deutschland ausstellen könne.[xi]
Hanna L., so berichtete der Neffe, war ab Oktober 1942 in Wilhelmshaven im Marinearsenal eingesetzt. Nach der Zerstörung des Arsenals durch einen Luftangriff am 11./12. Februar 1943 kam sie in das Arsenal nach Tannenhausen. Hanna L. erinnerte sich, dass deutsche und ausländische Arbeitskräfte durch den Schichtdienst getrennt waren. Die ausländischen Arbeitskräfte arbeiteten tagsüber und die deutschen Arbeitskräfte nachts.
Im Herbst 1943 erlitt sie während ihrer Arbeit an den Geschosshülsen einen schweren Arbeitsunfall. Nachdem sie an der Drehbank Zündstücke herausgedreht hatte, explodierte eines in ihrer Hand, dabei verlor sie mehrere Finger und ein Auge durch Splitter. Sie wurde zuerst im Sandhorster Krankenhaus behandelt und kam anschließend nach Emden in das Militärlazarett.
Nach ihrem Krankenhausaufenthalt kam sie zur Nachbehandlung ins Reilstift nach Aurich bis Ende 1943. Anschließend arbeitete sie in der Küche in einem der Lager des Arsenals, vermutlich im Lager Nord. Nach einem weiteren Krankenhausaufenthalt im Sommer 1944 mit einer Blinddarmentzündung, wurde sie nicht mehr im Marinearsenal eingesetzt, sondern arbeitete bei einem Landwirt in Twixlum. Dort blieb sie bis zum Kriegsende und kehrte nach der Befreiung in die Ukraine zurück.
Bereits im März 1943 ereignete sich ein Betriebsunfall, bei dem der Belgier Felix Meert, geboren 1898, mehrere Rippenbrüche erlitt und an den Folgen am 11.4.1943 starb. Er wurde auf dem Auricher Friedhof bestattet. Vor seiner Tätigkeit in Tannenhausen war er 1941 bei der Marine in Wilhelmshaven in der Wäscherei.[xii] Sein Grab in Aurich existiert nicht mehr, er wurde nach dem Krieg umgebettet. Aus der Unfallliste der Betriebskrankenkasse des Marinearsenals und aus Krankenhauslisten geht hervor, dass im Jahr 1943 noch zwei Franzosen und ein polnischer Zwangsarbeiter leichtere Unfälle mit anschließendem Krankenhausaufenthalt erlitten und im Jahr 1943/1944 drei Ukrainerinnen durch Unfälle verletzt wurden.[xiii] Eine von ihnen war Hanna L..
Brutale Zwangsaushebung von Arbeitskräften in der Heimat
Ein von der deutschen Zensur abgefangener Brief aus der Ukraine ist erhalten geblieben. Darin schildert Antonia Sidelnik (aus Lanowtze bei Dubno) ihrer Schwester Raissa Sidelnik, die sich zum damaligen Zeitpunkt bereits als Zwangsverpflichtete in Ostfriesland, im Lager Nord in Tannenhausen aufhielt, über die „Anwerbepraktiken“ der Deutschen in der Ukraine. Diesen Brief hat Raissa Sidelnik, die bis zum Kriegsende 1945 im Arsenal arbeitete, nie erhalten.[xiv]
„Am 1.10.[1942] fand eine neue Aushebung von Arbeitskräften statt, aber diese lässt sich mit der damaligen nicht vergleichen. Von dem, was geschehen ist, werde ich Dir das Wichtigste beschreiben. Du kannst Dir diese Bestialität gar nicht vorstellen. Man muss sie gesehen haben, um sie für möglich zu halten. Du erinnerst dich wohl daran, was man uns während der Polenherrschaft über die Sowjets erzählt hat, so unglaublich ist es jetzt auch, und wir glaubten es damals nicht. Es kam der Befehl 25 Arbeiter zu stellen, aus Kremenetz kamen Leute vom Arbeitsamt und bestimmten die betreffenden Leute, ihnen wurden Werbungskarten zugestellt, aber keiner hat sich gemeldet, alle waren entflohen. Dann kam die deutsche Gendarmerie und fing an, die Häuser der Entflohenen anzuzünden. … Das Feuer wurde sehr heftig, da es seit 2 Monaten nicht geregnet hatte, dazu standen die Getreideschober auf den Höfen. … Die Leute eilten herbei, um zu löschen, man verbot es ihnen, sie wurden geschlagen und verhaftet, sodass 6 Wirtschaften niederbrannten. … Die Leute fallen auf die Knie und küssen ihnen die Hände, die Gendarmen aber schlagen mit Gummiknüppeln auf sie los und drohen, dass sie das ganze Dorf niederbrennen werden. Ich weiß nicht, womit das geendet hätte, wenn Iwan Sapurkany sich nicht ins Mittel gelegt hätte. Er versprach, dass bis zum Morgen Arbeiter da sein würden. Während des Brandes ging die Miliz durch die anderen Dörfer, nahm die Arbeiter fest und brachte sie in Gewahrsam. Wo sie keine Arbeiter fanden, sperrten sie die Eltern so lange ein, bis die Kinder erschienen. So wüteten sie die ganze Nacht in Bielosirka. Auch in anderen Dörfern spielt sich dasselbe ab […] Man ist schon eine ganze Woche auf der Jagd … und immer hat man noch nicht genügend gefangen. Die gefangenen Arbeiter sind in der Schule eingesperrt, sie dürfen nicht einmal hinaus, sondern müssen es wie Schweine im selben Raum erledigen. […] Ich schreibe Dir das alles, bin aber nicht überzeugt, dass es in Deine Hände kommt. Du musst mir die Wahrheit schreiben, wo und was Du arbeitest und für was für einen Hundefraß. Du schreibst, dass Du Herrn Müller glaubst, der auf der Versammlung sagte, man nehme die Arbeiter auf 5 Monate. Jetzt sehe ich, dass man ihnen nichts glauben kann, die lügen ebenso wie die Sowjets und vielleicht noch schlimmer.“[xv]
[i] Vgl. Chronik M Mun Dp 2, Manfred Staschen, Aurich 1983, S. 22.
[ii] Vgl. Chronik, S. 27–31.
[iii] Vgl. Arolsen Archives (AA), hier und im Folgenden die Unterlagen zu den Kreisen Aurich, Norden, Friesland und Wittmund sowie den Städten Emden und Wilhelmshaven. Ein weiteres Todesopfer war Dasga Kaos, geb. 1.4.1922 (lt. Dokumenten in Russland). Sie/Er starb am 14. August 1944 in einem der Tannenhausener Lager. Aufgrund der vorliegenden Daten kann nicht endgültig geklärt werden, in welchem der Lager und ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte.
[iv] Vgl. Niedersächsisches Landesarchiv, Abteilung Aurich (NLA AU) Rep. 253 Nr. 56, Zwischenanfragen 137 von Domka L. und 397 von Maria P.
[v] Vgl. Chronik, S. 32.
[vi] AA, Sign. 70611247, Krankenhaus Emden (Sandhorst); Sign. 70757259, Betriebskrankenkasse Marine Wilhelmshaven, die Belgierin Maria van Hagen.
[vii] NLA AU Rep. 253 Nr. 42, Zwischenanfrage 397.
[viii] NLA AU Rep. 253 Nr. 56, Zwischenanfrage 137.
[ix] Vgl. Chronik, S. 40f.
[x] Vgl. AA, Sign. 70756612, 70756787, 70756874, Städtisches Krankenhaus Wilhelmshaven; Sign. 70757269, Betriebskrankenkasse Marinearsenal Wilhelmshaven; Sign. 70575745, Ausländer bei Auricher Firmen; Sign. 11337264, Landgerichtsgefängnis Aurich: der Franzose Mathieu, M.. Der Hinweis „z.Zt. Gefängnis“ kann sich auf den aktuell genannten Zeitraum beziehen, kann aber auch bedeuten, dass er sich 1945 weiterhin im Gefängnis befand, da das Dokument erst 1945 erstellt wurde.
[xi] NLA AU Rep. 253 Nr. 56, Zwischenanfrage 106.
[xii] AA, Sign. 70757090 u. 7075796, Betriebskrankenkasse; Sign. 76811306, 76811307 u 70575695, Standesamt Stadt Aurich, der Belgier Felix Camillus Meert.
[xiii] AA, Sign. 70757083, 70757085, 70757088, 70757089, Unfallliste der Betriebskrankenkasse;
Sign. 70575773, Krankenhausliste Aurich (Sandhorst).
[xiv] AA, Sign. DE ITS 2.1.2.1 NI 072 11 DIV ZM, Betriebskrankenkasse, die Ukrainerin Raissa Sidelnik.
[xv] AA, Sign. 02020201 oS.