NS-Zwangsarbeit und Zwangsarbeitslager in Ostfriesland – Workshopbeitrag I

Am 18. Mai 2022 fand ein Workshop über die Geschichte der NS-Zwangs­arbeit und der Zwangs­ar­beits­lager in Ostfriesland statt. In loser Folge werden wir auf dieser Homepage Beiträge der Referen­tinnen und Referenten veröf­fent­lichen. Als erster Beitrag dieser Reihe wird hier der Vortrag von Dr. Simone Erpel veröffentlicht.

Abb.1: Ortsan­sicht von Engerhafe mit Kirche, undatiert. Foto: Bildarchiv der Landschafts­bi­bliothek Aurich.

Stand­ort­faktor Engerhafe – Vom „Gemein­schafts­lager“ zum KZ-Außenlager

Von Simone Erpel, Verein Gedenk­stätte KZ Engerhafe

Wer heute die Gedenk­stätte und den KZ-Friedhof in Engerhafe besucht, fragt sich unwei­gerlich, warum ausge­rechnet in dem beschau­lichen, kleinen Dorf mit seiner imposanten Kirche auf der Warft, ein Außen­lager des Konzen­tra­ti­ons­lagers Neuen­gamme einge­richtet worden war. Aurich-Engerhafe war eines von fünf Außen­lagern des Konzen­tra­ti­ons­lagers Neuen­gamme, die noch im Herbst 1944 kurzfristig zum Bau von militä­ri­schen Befes­ti­gungen und Panzer­gräben für den „Friesenwall“ gegründet worden waren. In Husum-Schwesing entstand ein solches Lager im September 1944, in Engerhafe im Oktober 1944, in Ladelund, Dalum sowie Meppen-Versen sogar noch im November 1944.

In Engerhafe hatte das KZ-Außen­lager keineswegs abseits vom Dorf existiert, sondern war gewis­ser­maßen ein Bestandteil des Dorfes gewesen. Es befand sich im Pfarr­garten hinter der Alten Pastorei (Nr. 4), zum größten Teil auf Kirchen­grund (Nr. 2); auf und an den beiden Seiten einer Straße, dem Dodent­wenter, und grenzte an der Volks­schule (Nr. 3).

Abb. 2: Markierung des ehema­ligen Stand­ortes des KZ-Außen­lagers Engerhafe, ©Google Maps 2021.

Warum wurde gerade in Engerhafe ein KZ-Außen­lager eingerichtet?

Um die Frage zu beant­worten, aus welchen Gründen die Wahl auf ein Dörfchen auf dem „platten Land“ fiel, muss die Vorge­schichte näher betrachtet werden. Das KZ-Außen­lager wurde nicht neu gebaut, sondern eine bereits bestehende Sammel­un­ter­kunft für auslän­dische Zivil­ar­beiter, ein sogenanntes „Gemein­schafts­lager“, wurde im Oktober 1944 weiter­ge­nutzt, aber mit hoher Umzäunung sowie Wachtürmen versehen. Das ursprünglich offene, frei zugäng­liche Lager[i] wurde so in ein scharf bewachtes und herme­tisch abgeschlos­senes Arbeits­lager für 2000 Konzen­tra­ti­ons­lager-Häftlinge transformiert.

Die Quellenlage zum Gemein­schafts­lager und damit zur Vorge­schichte des KZ-Außen­lagers in Engerhafe ist überschaubar. Bisherige Erkennt­nisse stützen sich vor allem auf die ev.-luth. Kirchen­chronik von Engerhafe. Martin Wilken, Heimat­for­scher und früherer Angestellter der Gemeinde Oldeborg/heute Südbrook­merland, hatte in den 1980er Jahren die Passagen, die das Baracken­lager betreffen, aus der schwer lesbaren Kirchen­chronik abgeschrieben und sie so überhaupt der Forschung zugänglich gemacht. Des Weiteren hatte Wilken Dorfbewohner:innen zum KZ befragt und seine Erkennt­nisse verschie­dentlich publi­ziert, erstmals 1976.[ii]  

Im März 1942 – so Wilken – sei das Lager in Engerhafe als Unter­kunft für Arbeiter der Organi­sation Todt (OT) errichtet worden. Die OT war eine Sonder­or­ga­ni­sation des NS-Staates für kriegs­wichtige Baupro­jekte. Sie war militä­risch gegliedert und als das wichtigstes deutsche Ingenieur- und Bauun­ter­nehmen unter­stand sie zunächst dem Reichs­mi­nister für Bewaffnung und Munition, Fritz Todt, später dem Reichs­mi­nister für Rüstung und Kriegs­pro­duktion, Albert Speer.

Ob es sich in Engerhafe um ein OT-Lager gehandelt hat, lässt sich nicht aus der Kirchen­chronik ableiten, denn sie erwähnt lediglich, dass die OT das Lager errichtete, doch die OT-Arbeiter – Deutsche, Nieder­länder und Tschechen – seien nach der Fertig­stellung des Lagers wieder abzogen. Weiter ist in der Chronik davon die Rede, dass das Lager zunächst „mit auslän­di­schen Hilfs­ar­beitern belegt gewesen war, die an den Bunkern in Emden arbei­teten.  … Die fremd­län­di­schen Arbeiter fuhren des Morgens mit der Eisenbahn an ihre Arbeits­stelle und kehrten des Abends wieder.“ [iii]

Zwar stützten sich sämtliche Baumaß­nahmen der OT nach Kriegs­beginn 1939 vor allem auf angeworbene freiwillige Hilfs­kräfte aus den westeu­ro­päi­schen Ländern. Und ab 1943 mussten auch osteu­ro­päische Zwangs­ar­bei­tende und Kriegs­ge­fangene unter schwersten Bedin­gungen auf den OT-Baustellen arbeiten. Doch wer waren die in Engerhafe unter­ge­brachten Männer? Handelte es sich um angeworbene Vertrags­ar­beiter, vor allem aus den Nieder­landen, wie allgemein angenommen wird?

Um das zu klären, muss zunächst gefragt werden:

  1. Wer ließ das Lager bauen und warum in Engerhafe?
  2. Wer verwaltete das Lager?

Zu diesen Fragen gibt der Schrift­verkehr des Luftschutz­bau­amtes Emden (1942–1946!) Aufschluss. Leider umfasst der Schrift­verkehr nur eine dünne Mappe mit Rechnungen. Dietrich Janßen, ehema­liger Mitar­beiter des Emdener Bauamtes, hatte sie bei seinen Recherchen gefunden und gesichert. Die Akte befindet sich mittler­weile im Stadt­archiv Emden.

Weitere relevante Quellen werden im Nieder­säch­si­schen Landes­archiv, Abteilung Aurich verwahrt. Einige Hinweise auf das Gemein­schafts­lager gibt es etwa in dem 1965 einge­lei­teten Verfahren gegen den Enger­ha­fener KZ-Lager­kom­man­danten Erwin Seifert. Zu nennen sind weiterhin die Versi­che­rungs­un­ter­lagen der Ostfrie­si­schen Landschaft­lichen Brand­kasse von 1943. Eine außer­or­dentlich bedeutsame Quelle hat ebenfalls mit Versi­che­rungen zu tun: die sogenannte „Auslän­der­kartei“ der AOK Emden. Sie enthält Angaben zu etwa 2.000 auslän­di­schen Zivil- und Zwangs­ar­bei­tenden (1940–1945). Ich werte die Kartei für das Gemein­schafts­lager Engerhafe erstmals aus.

Die Stadt Emden: Auftrag­ge­berin und Eigen­tü­merin des Gemeinschaftslagers

Der Emdener Oberbür­ger­meister, Carl Renken, berichtete im Januar 1942 von bereits drei „Arbei­ter­lagern“ unter seiner Verwaltung: eines in der Schil­ler­straße in der Stadt selbst für „200 Mann“, ein zweites in Loppersum für „500 Mann“ und ein drittes in Engerhafe für „520 Mann“. Das Lager in Engerhafe bestand aus vier Unter­kunfts­ba­racken, einer Wirtschafts­ba­racke, einer Wasch­ba­racke, drei Abort­ba­racken und einer Geräte­ba­racke.“[iv] Für die Überlassung des Geländes in Engerhafe erhielt die Kirchen­ge­meinde Engerhafe eine jährliche Entschä­digung von 100 Reichsmark und die politische Gemeinde Oldeborg von 10 Reichsmark.[v] Diese Beträge zahlte die Stadt Emden von 1942 bis einschließlich 1946.

Sowohl Loppersum als auch Engerhafe liegen an der Bahnstrecke Emden-Norden und verfügten damals jeweils über einen Bahnhof. In der Enger­ha­fener Kirchen­chronik wird erwähnt, dass die auslän­di­schen Zivil­ar­beiter mit dem Zug nach Emden und abends wieder zurück­fuhren.[vi] Die Bahnan­bindung dürfte also einen Ausschlag für Engerhafe als Standort gegeben haben. Hinzu kam, dass die Pfarre in Engerhafe damals vakant war und deshalb mit geringem Wider­stand von Seiten des Kirchen­vor­stands zu rechnen war. Gerüch­te­weise – so Martin Wilken – sollte das Lager eigentlich „neben der Eisen­bahn­strecke Emden-Norden von Oster­meedland entstehen. Dort aber hatte der Ortsbau­ern­führer sein Land. Man beschlag­nahmte deshalb die Pastorei und das Kirchenland.“[vii]

Jeden­falls, soviel steht fest, machte die Stadt Emden Druck beim Bau von Gemein­schafts­un­ter­künften, denn gerade durch die Bomben­schäden herrschte ein zuneh­mender Mangel an Wohnraum. Insbe­sondere in Emden waren viele auslän­dische Zivil­ar­bei­tende privat zur Unter­miete unter­ge­kommen. Die Stadt wollte jedoch den knappen Wohnraum für Deutsche reser­vieren und die auslän­di­schen Zivil­ar­bei­tenden generell in Lagern unter­bringen. Im März 1943 erließ der Oberbür­ger­meister von Emden eine entspre­chende Polizei­ver­ordnung.[viii]

Zunächst war die Stadt Emden Mieterin des Gemein­schafts­lagers in Engerhafe. Doch rasch stimmten die Emdener Ratsherren dem Vorschlag des Oberbür­ger­meisters zu, die Baracken­lager in Engerhafe und Loppersum anzukaufen. Die Lager, so Oberbür­ger­meister Renken „werden auch in Folge durch die Stadt für die Unter­bringung von Arbeits­kräften dringend benötigt. Das Lager Engerhafe kann notfalls auch als Ausweich­un­ter­kunft für bomben­ge­schä­digte Wohnungs­be­rech­tigte in Anspruch genommen werden.“[ix] Die Stadt verhan­delte mit der zustän­digen Bauleitung in Hannover. Nachdem das Reichs­mi­nis­terium für Rüstung und Kriegs­pro­duktion seine Zustimmung erteilt hatte, kam es zum Ankauf des Baracken­lagers.[x]

Wie aus der Brand­schutz­ver­si­cherung ersichtlich wird, war die Stadt Emden spätestens im März 1943 Eigen­tü­merin des Gemein­schafts­lagers Engerhafe. Das Luftschutz­bauamt ließ zwei Zement/Betonröhren im Lager­be­reich als Bomber­split­ter­schutz aufstellen. Die Stadt Emden vermietete die Gemein­schafts­un­ter­kunft dann – mögli­cher­weise pro forma – an das Luftgau­kom­mando für jährlich knapp 51.000 RM.[xi]

Abb.3: Kopie eines Lageplans des Gemein­schafts­lagers Engerhafe, das später in das KZ-Außen­lager Aurich-Engerhafe umgewandelt wurde, auf einem Antrag zur Gebäu­de­ver­si­cherung vom 30.3.1943. NLA AU Rep. 253 Nr. 43.

Wer verwaltete das Lager?

Über die Verwaltung des Lagers liegen nur lücken­hafte Angaben vor. Im Auftrag der Stadt Emden verwaltete die Deutsche Arbeits­front (DAF), Gau Weser-Ems, offen­sichtlich das Gemein­schafts­lager. Zumindest die Bezahlung eines Lagers- und eines Verwal­tungs­führers wurde über die DAF abgewi­ckelt.[xii]

Die generelle Verant­wortung für die Lager lag jedoch – so Rolf Uphoff – „bei der Organi­sation Todt […]. Sie war nicht nur für die Anwerbung und Verteilung, sondern auch für die Unter­bringung der auslän­di­schen Zivil­ar­beiter in Emden verant­wortlich.“[xiii] Gleichwohl werden im Zusam­menhang mit Engerhafe weitere Akteur:innen genannt, sodass das Bild von der Organi­sation der NS-Zwangs­arbeit ausdif­fe­ren­ziert werden muss. Invol­viert waren neben der OT:

  • die Stadt Emden als Vermie­terin sowie
  • das Luftgau­kom­mando (vermutlich Hamburg) als Mieterin des Lagers,
  • das Städtische Bauamt Emden mit einer „Lager­be­treuung“ als eigener Abteilung,
  • die DAF, die mit der Lager­ver­waltung beauf­tragt war und schließlich
  • die für den Bunkerbau in Emden tätigen Unternehmen.

Nicht nur nieder­län­dische Zivil­ar­beiter waren im Gemein­schafts­lager Engerhafe

Die Auricher Staats­an­walt­schaft war 1965 durch Zeug:innenbefragung zu der Einschätzung gekommen, es seien vor allem nieder­län­dische Zivil­ar­beiter im Gemein­schafts­lager Engerhafe gewesen. So hieß es: „In den Baracken haben hollän­dische Arbeiter gewohnt, die bei dem Bunkerbau in Emden beschäftigt waren.“[xiv] Und Martin Wilken, der ebenfalls mit Zeitzeug:innen vor Ort gesprochen hatte, kann als Ergänzung hinzu­ge­zogen werden: „Die Bewohner konnten mit den Fremd­ar­beitern zusam­men­kommen und auch an Filmvor­füh­rungen teilnehmen, die in dem Aufent­haltsraum [im Lager] veran­staltet wurden.“[xv] Im August 1943 fand vorüber­gehend auch der III. Zug einer Telefon­bau­leitung in „Stärke [von] 49 Mann“ im Enger­hafer Lager Quartier.[xvi]

Abb. 4: Zustand des Pfarr­gartens und die Rücken­an­sicht des Alten Pfarr­hauses in Engerhafe während der polizei­lichen Ortsbe­sich­tigung 1965. Hier standen bis 1946 zwei der Baracken. Foto aus dem Bericht an den Staats­anwalt Hoffman von Krim. Obermeister Dittrich, LKP-Stelle Aurich, 10.6.1965. NLA AU, Rep. 109 E, 335 Bd. 2.

Zudem wird in der Kirchen­chronik eine Gruppe franzö­si­scher Fachar­beiter unter Führung eines deutschen Haupt­manns erwähnt. Vor allem wohl deshalb, weil dieser Hauptmann ein Pastor war und sonntags bei den Predigten in Engerhafe einsprang. Die Unter­bringung der Franzosen jeden­falls lässt sich durch eine Rechnung für geleistete Arbeits­stunden in Emden auf Februar und März 1944 datieren.[xvii]

Die Anwesenheit von Nieder­ländern und Franzosen wird durch die Auswertung der Versi­cher­ten­kartei der AOK Emden bestätigt, von der eingangs bereits die Rede war. Erstmals sind aber jetzt die Namen einiger Enger­ha­fener Zivil­ar­beiter bekannt. Derzeit – nach Sichtung zweidrittel der Kartei – kann ich 94 auslän­dische Arbeits­kräfte namentlich nachweisen, deren Wohnort mit „Lager Engerhafe“ angegeben ist; unter ihnen der Pole Wazlaw Flokowski, Jahrgang 1914, der ein halbes Jahr beim Unter­nehmer H. Riemann in Oldersum arbeitete (von 11.12.1942 bis 5.6.1943).

Mit der Versi­cher­ten­kartei lässt sich belegen, dass keineswegs nur Westeu­ropäer im Gemein­schafts­lager Engerhafe unter­ge­bracht waren, wie bislang angenommen, sondern auch eine signi­fi­kante Gruppe Osteu­ropäer ist nachweisbar. Die Arbeits­kräfte setzten sich wie folgt zusammen:

31 Nieder­länder
25 Polen
8 Franzosen
7 Italiener
7 Tschechen
6 Ukrainer
4 Russen
2 Belgier
4 unleserlich/ungeklärt.

Sie alle waren als Arbeiter, Hilfs­ar­beiter, Erdar­beiter, Maurer, Zimmerer, Ernte­helfer oder als Koch einge­setzt. Und auch einige Arbeit­geber lassen sich durch die Kranken­ver­si­cherung verifi­zieren, die haupt­sächlich, aber nicht ausschließlich, für den Bunkerbau in Emden tätig waren: wie etwa die Hochtief A.G., Gebr. Neumann, de Boer G.m.b.H. oder H. Riemann, Oldersum.

Zusam­men­fassung und Ausblick

Die Herkunft der im Gemein­schafts­lager Engerhafe unter­ge­brachten auslän­di­schen Arbeits­kräfte ist diverser als bislang angenommen. Neben den Nieder­ländern waren vor allem polnische Zivil- bzw. Zwangs­ar­beiter eine perso­nen­starke Gruppe. Es gibt eine – vielleicht nur zufällige – Konti­nuität zu den im Oktober 1944 in Engerhafe zusam­men­ge­pferchten 2000 KZ-Häftlingen. Die größte nationale Gruppe stellten hier Polen, darunter auch polnische Juden, gefolgt von den Nieder­ländern als zweistärkte Natio­na­lität. Nieder­länder und Polen waren also sowohl im Gemein­schafts­lager als auch im KZ-Außen­lager die größten natio­nalen Gruppen.

Abb.5: Beerdi­gungs­zettel vom 4., 6. und 8. November 1944 mit den Namen der ersten acht von 188 im KZ-Außen­lager Aurich-Engerhafe verstor­benen Häftlingen. Archiv der Kirchen­ge­meinde Engerhafe, Akte Friedhof A 591.

Für die Wahl Enger­hafes als Standort sprach die gute Bahnan­bindung, vermutlich auch die leichte Verfüg­barkeit des Kirchen­landes und des Gemein­de­landes. Als die im Herbst 1944 in Engerhafe einge­trof­fenen KZ-Häftlinge Panzer­gräben um Aurich herum ausgeben mussten, erwies sich die Zugver­bindung als weniger optimal, denn Engerhafe hatte keine direkte Bahnver­bindung nach Aurich. Die Gefan­genen mussten vielmehr vom Lager zunächst zur 2,5 km entfernten Bahnstation Georgsheil laufen und wurden von dort nach Aurich trans­por­tiert. Das bedeutete einen mehrstün­digen strapa­ziösen Weg zu und von der Arbeit.

Da das Gemein­schafts­lager, laut Kirchen­chronik, ab Sommer 1944 leer stand, wurden die Holzba­racken zur Unter­bringung von KZ-Häftlingen einfach weiter­ge­nutzt. Neben diesem rein pragma­ti­schen Vorgehen war es auch hier die OT, bei der wiederum die technische Bauleitung – diesmal in enger Abstimmung mit dem Reichs­ver­tei­di­gungs­kom­missars im Wehrkreis X, dem Hamburger Gauleiter Kaufmann – für den sogenannten Friesenwall lag. Der grund­le­gende Befehl über den Ausbau der Küsten­be­fes­tigung wurde am 1. September 1944 erlassen.[xviii] Das KZ-Außen­lager Aurich-Engerhafe war eines der Panzer­gra­ben­kom­mandos innerhalb des Systems der Konzen­tra­ti­ons­lager-SS, das eigens für das Friesenwall-Projekt einge­richtet worden war. Auf den Baustellen waren neben den KZ-Häftlingen und den deutschen OT-Arbeitern auch Soldaten, auslän­dische Zwangs­ar­bei­tende sowie deutsche Dienst­ver­pflichtete tätig.

Es wäre gut, wenn künftige Recherchen klären könnten, wie die OT ganz konkret an der Organi­sation der Zwangs­arbeit für die Panzer­gräben um Aurich und damit auch für die hohe Sterb­lich­keitsrate der KZ-Gefan­genen in Engerhafe verant­wortlich war. Und weiterhin ist abzuklären, ob die Stadt Emden das Gemein­schafts­lager in Engerhafe 1944 an die SS vermietet hat, der das Lager ab Oktober 1944 unterstand.


[i] Nieder­säch­si­sches Landes­archiv, Abteilung Aurich (NLAU AU), Rep. 109 E – 335, Bd. 2, Prozessakte Erwin Seifert, Bericht an den Staats­anwalt Hoffman von Krim. Obermeister Dittrich, LKP-Stelle Aurich, 10.6. 1965, Bl. 12–14.

[ii] Martin Wilken, Ein Bericht über die Verwaltung einer ostfrie­si­schen Landge­meinde, in: Gemeinde Oldeborg, Landkreis Aurich, 1938 – 1972, Oktober 1976; Ders., Das Konzen­tra­ti­ons­lager Engerhafe. Kommando Aurich-Neuen­gamme, (Manuskript) Engerhafe 1981, S.2f.

[iii] Kirchen­archiv Engerhafe, HS 8, Chronik der Kirchen­ge­meinde Engerhafe 1914–1954. Pastor Enno Janßen aus Münkeboe, der ab 1942 die Vakanz­ver­tretung in Engerhafe innehatte, hat die betref­fenden Passagen eingetragen.

[iv] Stadt­archiv Emden (StadtA EMD), Akte 673/81, Bericht des Oberbür­ger­meisters Carl Renken an den Führer der Sektion des Bauwesens Emden vom 1.1.1942.

[v] StadtA EMD, Akte 673/81, Bl. 12 u. 13, Vermerk vom 17.10.1944.

[vi] Vgl. Kirchen­archiv Engerhafe, HS 8, Kirchenchronik

[vii] Vgl. Wilken, Das Konzen­tra­ti­ons­lager Engerhafe 1981, S. 3.

[viii] NLA AU, Rep. 16/1, 1015.

[ix] StadtA EMD, Akte 673/81, Emden Ratsher­ren­pro­tokoll, undatiert (verm. 1942/1943).

[x] StadtA EMD, Akte 673/81, Kaufpreis: 70 v.H. des Neuwertes: d.h. 242.000 RM.

[xi] StadtA EMD, Akte 673/81, Bl. 18 Grund­stücksamt Emden, Miete für Loppersum und Engerhafe, 1943/1944.

[xii] StadtA EMD, Akte 673/81, DAF an den OB Emden, Gehalts­rück­for­de­rungen für September 1944, Oldenburg, 6.11.1944.

[xiii] Rolf Uphoff, Einsatz auslän­di­scher Zivil- und Zwangs­ar­beiter als Teil der Kriegs­wirt­schaft, darge­stellt am Beispiel Emden, in: Migration in der Ems Dollart Region. Lernen und arbeiten jenseits der Grenze, hrsg. v. der Emslän­di­schen Landschaft e.V., Bad Bentheim 2017, S. 29–33, hier: S. 30.

[xiv] NLAU AU, Prozessakte Erwin Seifert, Rep. 109 E – 335, Bd. 2, Bl. 12–14.

[xv] Wilken, Das Konzen­tra­ti­ons­lager Engerhafe 1981, S. 2f.

[xvi] NLA AU, Rep. 16/1, Nr. 4423. Auslän­dische Arbeit­nehmer 1933–1945: „… der 3.7.b.o.7, Feldpost – Nummer, L. 49 183 Luftgau­postamt Hamburg I. im Gemein­schafts­lager in Engerhafe unter­ge­bracht. Stärke: 49 Mann,“ wie der Gendar­me­rie­posten in Georgsheil dem Landrat meldete. Vgl. auch Manfred Staschen, Die Arbeits- und Gefan­ge­nen­lager um Aurich und das KZ-Außen­lager Neuen­gamme in Engerhafe, in: Herbert Reyer (Hrsg.), Aurich im Natio­nal­so­zia­lismus, Aurich 1993, S. 421–445, hier: S. 438.

[xvii] Stadt­archiv Emden, Akte 673/81, Bl. 22, Rechnung des Luftschutz­bau­amtes, 19.2.1945.

[xviii] Bundesarchiv/Militärarchiv RH 11/III 214, Befehl über den Ausbau der Küsten­be­fes­tigung am 1.9. 1944: „7) Einsatz der OT im Rahmen des Ausbaus: Die OT wird aufgrund unmit­tel­barer Verein­ba­rungen zwischen dem Gauleiter und der OT derart einge­setzt, dass sie den notwen­digen Bauap­parat zur Verfügung stellt und die fachliche Aufsicht bei der Ausführung der Bauar­beiten übernimmt. Verant­wortlich für den Ausbau bleibt Gauleiter Kaufmann, bzw. die von ihm einzu­set­zenden Dienst­stellen. Zu diesem tritt jeweils die örtliche OT-Stelle als technische Abteilung.“